Europa League  2018/2019

Road to Baku...

Halbfinale - Stamford Bridge

 

 

Eintracht Frankfurt                

Eintracht Frankfurt - FC Chelsea London  1 : 1     

02.05.2019 - 21:00 Uhr                                               

Commerzbank Arena Frankfurt                                       

               FC Chelsea London

         FC Chelsea London - Eintracht Frankfurt 1 : 1

                                       4:3 nach Elfmeterschießen

                                               09.05.2019 - 21:00 Uhr

                                             Stamford Bridge London

 

Artikel aus 11Freunde (Stephan Reich, 10.05.2019), mehr muss man nicht wissen!

 

Trotzdem Sieger

Eintracht Frankfurt scheidet aus der Europa League aus. Diese Saison der SGE wird aber trotzdem lange im Gedächtnis bleiben. Weil sie gezeigt hat, was eine echte Verbindung zwischen Mannschaft und Fans bewirken kann.

Es gibt ein Foto von Martin Hinteregger, das die Sasion von Eintracht Frankfurt auf den Punkt bringt. Es ist wenige Minuten nach Hintereggers verschossenem Elfmeter entstanden, der Eintracht Frankfurt das Europa-League-Finale gekostet hat. Der Österreicher steht bei den Fans in der Kurve, einer der Anhänger drückt Hinteregger an seine Brust, hält seinen Kopf. Hintereggers Trikot ist übersät mit Dreck- und Grasflecken. Seine Augen sind fest geschlossen, er versinkt in dieser Umarmung, auf seinem Gesicht ein Ausdruck tiefen Trosts. Von oben leuchten die Flutlichter.

Martin Hinteregger ist ein Baum von einem Mann, knapp 1,90 Meter groß, und wenn er einen seiner unerbitterlichen Zweikämpfe führt, deren Knirschen man bis unters Stadiondach hören kann, wirkt er sogar noch ein wenig größer. Aber in dieser Szene ist er ganz klein. Ein einsamer Mensch, der noch wenige Augenblicke zuvor in der Leere des eigenen sportlichen Scheiterns stand, irgendwo auf dem Londoner Rasen, mit den Augen ins Nichts, und der von einem unbekannten Fan, der sich heute auf dem potentiellen Sportfoto des Jahres wiederfindet, zurück ins Leben umarmt wird.

Nach großen, krachenden Niederlagen folgt im Fußball oft die Leere. Nicht so bei den Fans von Eintracht Frankfurt am Donnerstagabend. Sie füllen das Vakuum mit ohren Gesängen, die in dieser Saison so oft viel mehr als Gesänge waren, fast schon Prophezeiungen. "Wir schenken euch unsere Herzen", sangen sie gegen Benfica Lissabon, "und ihr schenkt uns den Sieg". Gegen Benifca wurde das Wirklichkeit. Niemand, der beim Heimspiel gegen Lissabon dabei war, wird die Energie je vergessen, die von den Rängen aufs Feld und zurück schwappte, immer und immer wieder, bis die Eintracht tatsächlich gewonnen hatte.

 

Eintracht Frankfurt, Walzer tanzen wir, du mit mir. Ich mit dir!

 

"Ob mit Bus oder Bahn oder Flugzeug, scheißegal", hörte man in Rom, Mailand oder London, von Fans, die mit Bus oder Bahn oder Flugzeug angereist waren. Von der heiligen Gemeinschaft, wenn die nächste Sensations-Choreo die Augen der Spieler zum Leuchten brachte. Oder einfach das festliche: "Eintracht Frankfurt, Walzer tanzen wir, du mit mir. Ich mit dir."

Du mit mir, ich mit dir, eine so einfache, tiefe Wahrheit. Wenn die Auftritte der Eintracht in dieser Europa-League-Saison eines gezeigt haben, dann dass sie tatsächlich existieren kann, die Symbiose zwischen Mannschaft und Fans, eine Einheit, die mehr ist als das abstrakte Verhältnis zwischen jenen, die zeitweise ein Trikot mit einem bestimmten Wappen überstreifen, und jenen, die ihre Zeit, ihr Geld, ihre Leidenschaft für dieses Wappen opfern. Die ihre Kinder nach Spielern benennen, die bald woanders sind. Die nach Charkiw fliegen, ohne Ticket. Die Europacup-Saison der Eintracht hat gezeigt, dass man tatsächlich Teil eines großen Ganzen sein kann, das den Spielern ähnlich viel gibt wie den Fans.

 

Wahnsinnig geil und unfassbar laut

In Frankfurt hat man dieses Gefühl rund um die Spiele überall spüren können. Von Martin Hinteregger, der in Frankfurt in Rekordzeit zum Publikumsliebling und nun zum tragischen Helden wurde, gibt es ein Video, wie er nach dem Heimsieg gegen Benfica, das er verletzt verpasst, in einem stadtbekannten Kiosk steht, ein Bier in der Hand und einen Fan im Arm, und lauthals lachend einen Fan-Song mitsingt, der ihm von den Fans gewidmet wurde. Er wisse auch nicht so recht, warum ausgerechnet er so schnell so beliebt geworden sei, sagte Hinteregger wenige Tage, nachdem der Song viral gegangen war, in einem Interview mit SkyAustria. Na, weil er einer von ihnen ist, ein Teil der heiligen Gemeinschaft.

 

Vor den Spielen der Eintracht in der Europa League kursierte auf Twitter stets der Hastag #12gegen11. An anderen Bundesligastandorten würde man das für eine PR-Kampagne halten. In Frankfurt stimmt das tatsächlich. Wer gegen die Eintracht spielt, muss sich auch mit der Kulisse auseinandersetzen, und nicht jeder kann das. "Das ist schon ein Vorteil für Frankfurt, dass sie jedes zweite Wochenende vor so einer Kulisse spielen können. Das gibt ihnen Wucht", sagte Hoffenheim-Verteidiger Stefan Posch nach der Bundesliga-Niederlage seiner TSG im März. Auch die teils noch sehr jungen Spieler von Benfica sollen von der Stimmung im Stadion sehr beeindruckt gewesen sein. Hätten sie sich auch von jenen 15.000 Stuttgartern beeindrucken lassen, die Fredi Bobic laut eigener Aussage "per handschlag begrüßen" konnte, als er mit dem VfB einst in der Europa league spielte? Hätte Filip Kostic ohne die Brandung des Jubels hinter sich den tausendsten Sprint seiner Saison anziehen können? Simon Falette nach monatelanger Pause gegen Benfica das Spiel seines Lebens machen können? "Wagnsinnig geil und unfassbar laut" sei es gewesen, sagte Danny da Costa nach der Partie gegen Lissabon mit glänzenden Augen. Man sah ihm in diesem Moment an: Es macht etwas mit den Spielern, vor diesen Anhängern zu spielen.

 

"Ohne die Fans wären wir nicht so weit gekommen", sagte Makoto Hasebe nach dem Aus in London, und er hat Recht. Die Leidenschaft und Liebe, auch das Vorbehaltlose, das ausschließlich Positive, mit der die Fans der Mannschaft begegnen, ist wohl auch deswegen so intensiv, weil man in Frankfurt so lange vergeblich aein Herz verschenkte, ohne mal einen Sieg dafür zurückzubekommen. Bis Mijat Gacinovic im vergangenen Jahr in die Ewigkeit rannte und sich mit dem Pokalsieg viele Frankfurter Wunden schlossen. Die Entwicklung seither ist außergewöhnlich, das Leben als Eintracht-Fan hat sich einmal auf den Kopf gedreht, es ist kein Leiden mehr, sondern eine Freude. Und das geben die Fans an die Spieler zurück.
 

»Die Fans hätten das Finale verdient«, sagte Keeper Kevin Trapp nach dem Spiel mit Tränen in den Augen. Das Herz zu verschenken und dafür einen Sieg zu bekommen, hat in London nicht geklappt. Und trotzdem war die Europacup-Saison der Eintracht genau das: ein großer Sieg. »Egal wo wir hingefahren sind, es hat sich immer wie ein Heimspiel angefühlt. Es tut unheimlich weh. Heute Abend wird noch die eine oder andere Träne fließen«, so Trapp weiter. Vielleicht tröstet es ihn: Es sind so viele da draußen, die ihn sofort umarmen würden.

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